Die Statistiken zeichnen für Thüringen ein pessimistisches Bild der Zukunft – wenn die Tendenz in der Bevölkerungsentwicklung konstant bleibt, verliert das Bundesland bis zum Jahre 2035 etwa 280.000 Einwohner. Um den Trend umzudrehen, sind Landesregierung, Kommunen und Arbeitgeber der Region gefragt, Thüringen für seine Einwohner attraktiver zu machen.
Stadtmarketing zielt darauf ab, ein positives Image der Kommune zu festigen und zu verbreiten. Die betreffende Stadt wird dabei wie ein Produkt betrachtet und gemäß ihrer Vorzüge der gewünschten Zielgruppe (Unternehmen, Familien oder Touristen) präsentiert. Das Stadtmarketing gliedert sich in der Regel in folgende Elemente:
1. Tourismusmarketing
Ziel ist hier, mehr Übernachtungen auswärtiger Gäste zu generieren. Dabei richten sich die Marketing-Maßnahmen sowohl an private Urlauber als auch Geschäftsreisende bzw. Messe-, Tagungs- und Kongressteilnehmer. Entscheidende Akteure sind hier die gastronomischen und gastgewerblichen Betriebe einer Stadt, die Verkehrsbetriebe sowie die Kongress- und Reiseveranstalter.
2. Citymarketing
Dieser Aspekt beschäftigt sich mit der Anziehungskraft des Stadtzentrums für Kunden und Besucher. Die City soll im Zuge dessen sowohl wirtschaftlich als auch kulturell belebt werden. Besitzt eine Stadt in Hinsicht der gastronomischen und kulturellen Angebote sowie möglicher Freizeitaktivitäten ein positives Image, wird sie zusätzlich als Wohnort attraktiv.
3. Stadtteilmarketing
Hier geht es um die Positivmerkmale von Subzentren, z.B. Wohngebieten. Für bestimmte Zielgruppen heben die Quartiere ihre Alleinstellungsmerkmale hervor, wie etwa das große Kindergarten-, Spielplatz- und Wohnungsangebot für kinderreiche Familien.
4. Standortmarketing
Diese Marketingform hat das Ziel, die bestehenden Betriebe an einem Ort zu halten und die Ansiedlung neuer Unternehmen zu fördern. Maßnahmen sind dabei die Beschaffung und die Veräußerung von Grundstücken sowie die Einflussnahme auf die allgemeine Stadtentwicklung. Durch eine Verbesserung der Infrastruktur und der verkehrstechnischen Anbindung machen sich Städte für Unternehmen als potenzieller Standort attraktiver. Mit Meetings, Branchenstammtischen und Preisverleihungen können Unternehmen aktiv am Marketingprozess für ihren Standort teilnehmen.
5. Kommunales Marketing
Hierbei sollen kommunale Einrichtungen und Dienstleistungen auf die Bedürfnisse des Einwohners hin optimiert werden. Darüber hinaus wirbt die kommunale Verwaltung für sich selbst als möglichen Arbeitgeber.
Der Chef der Arbeitsagenturen in Thüringen, Kay Senius, ist sich sicher: Ohne den Zuzug ausländischer Fachkräfte wird das Bundesland sein Wohlstandsniveau in Zukunft nicht halten können. Doch auch einheimische Erwerbstätige bleiben nur dann vor Ort, wenn die Arbeitsbedingungen stimmen. Was können Land und Arbeitgeber tun, um mehr potenzielle Arbeitskräfte nach Thüringen zu locken?
1. Angemessene Löhne
In Thüringen liegen die Durchschnittsgehälter bei 78,2 Prozent des bundesdeutschen Durchschnitts. Damit verliert das Land als Arbeitsregion vor allem gegen die wirtschaftsstarken Westbundesländer an Attraktivität. In Nordrhein-Westfalen verdienen Einwohner durchschnittlich 101 Prozent des deutschen Durchschnitts, in Bayern 106 Prozent, in Baden-Württemberg 110 Prozent und in Hessen sogar 112 Prozent. Das mittlere Gehalt in Thüringen von 2.367 Euro brutto liegt dagegen sogar deutlich unter dem Durchschnittsniveau aller Ostbundesländer von 2.510 Euro.
2. Employer Branding
Dieser Begriff aus dem Marketing bezeichnet Maßnahmen, mittels denen sich Unternehmen als attraktive Arbeitgeber darstellen, um sich auf dem Arbeitsmarkt gut zu positionieren. Das Konzept besteht aus diversen Elementen: Arbeitgeber sollten ihr Alleinstellungsmerkmal formulieren, das sie – vor allem in Bezug auf ihre Mitarbeiter – von Marktkonkurrenten abhebt. Darüber hinaus helfen Karrierewebsites, Social Media Auftritte und die Teilnahme an Arbeitsgeberrankings, die Firma über die Grenzen des Bundelandes bekannt zu machen. Ebenfalls wirksam sind Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Programme sowie das optimieren des Bewerbungsprozesses in Bezug auf die Benutzerfreundlichkeit. Die Initiativbewerbungsquote, die Anzahl der Bewerber pro Ausbildungsplatz und die Anzahl der Ferienjobber aus Mitarbeiterfamilien sagen viel darüber aus, ob das Employer Branding wirksam ist. Im Vergleich mit einer Employer Branding Agentur bleibt das Engagement von Unternehmen in diesem Bereich jedoch häufig nur Stückwerk. Aus diesem Grund lohnt es sich, hier auf versierte Fachleute zu setzen.
Die folgenden Maßnahmen sorgen für einen besseren Lebensstandard für Thüringens Einwohner und Zuwanderer:
- Mobilität: Aktuell profitiert Erfurt von der neuen ICE-Trasse von Berlin nach München über Erfurt. Die täglich verkauften 15.000 Fahrkarten zeigen, dass das Angebot in der Bevölkerung auf ein bestehendes Bedürfnis trifft. Fachleute vermuten gar, dass sich die sogenannten Gunsträume, in denen sich positive Auswirkungen des ICE-Knotenpunkts Thüringen zeigen, von Jena bis nach Eisenach und von Sonneberg bis nach Nordhausen erstrecken. In den Wachstumsregionen Jena, Weimar und Erfurt gilt es nun, den Ausbau der öffentlichen Mobilität zu fördern, während in ländlichen Gebieten das Angebot und die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel gesichert werden muss.
- Wohnraum: Insbesondere die hiesigen Studenten beklagen die steigenden Mietpreise – der Verband der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft widerspricht jedoch der Kritik. Seinen Angaben zufolge liegt der durchschnittliche Kaltmietpreis für die Wohnungen der Mitgliedsunternehmen bei 4,85 pro Quadratmeter. Sowohl in Zentren wie auch auf dem Land zeigen sich allerdings Negativentwicklungen auf dem Wohnungsmarkt: Während in Erfurt, Jena und Weimar die Mietpreise steigen, fehlt barrierefreier und modernisierter Wohnraum zu bezahlbaren Preisen. Arbeitslose, Senioren und Menschen mit gering bezahlten Tätigkeiten können sich das Wohnen in den Zentren kaum mehr leisten. Auf dem Land hingegen fallen die Mietpreise aufgrund der geringen Nachfrage. Hier mangelt es an Förderprogrammen für Instandhaltungsmaßnahmen und bedarfsgerechten Umbau.
- Bildung: Laut Ministerium erhält der Bildungsbereich 2018 mit 1,76 Milliarden ein deutlich größeres Budget als im Vorjahr (1,66 Milliarden). Mit der Förderung von Schulen und Maßnahmen frühkindlicher Bildung wird Thüringen nicht nur als Wohnort für Familien attraktiv, sondern zieht auch Lehrpersonal und Erzieher an. Die Unterstützung der bestehenden Hochschulen wiederum motiviert mehr Studierende zu einer Ausbildung im Freistaat. Wer sein Studium hier absolviert hat, bleibt anschließend gern vor Ort, wenn der Arbeitsmarkt attraktive Angebote offeriert.
Allen positiven Eigenschaften voran forderten Unternehmen in den vergangenen Jahren unbegrenzte Flexibilität von ihren Arbeitnehmern. Die fehlende Ortsbindung vieler Deutscher mündet aktuell in einen harten Konkurrenzkampf um Zuwanderer, Fachkräfte und Nachwuchs zwischen den Regionen. Thüringen kann den demographischen Negativtrend nur abwenden, wenn Land, Kommunen und Unternehmen aktiv die entsprechenden Maßnahmen verfolgen.